Storytelling im Weihnachtsgeschäft

Storytelling im Weihnachtsgeschäft

Wie Discounter an Weihnachten Emotionen verkaufen

Spätestens seit dem großen Viralerfolg des EDEKA Opas aus dem vergangenen Jahr ist Storytelling zu einer bewährten Methode geworden, Werbebotschaften emotional zu verpacken. Allem voran die großen deutschen Discounter erzählen im Weihnachtsgeschäft mitreißende Stories, ohne dabei ihre Produktpalette im Vordergrund zu platzieren. Aber wie gelingt es, mit Geschichten einen bleibenden Eindruck beim Konsumenten zu hinterlassen?

Weihnachten wird zum Kreativ-Fest

Es war ein sagenhafter Erfolg, den EDEKA und die Werbeagentur Jung von Matt im Dezember 2015 einfuhren. In 1,46 Minuten erzählten sie die Geschichte eines einsamen Rentners, der sich gezwungen sah, seinen Tod vorzutäuschen, um die gestresste Familie an Weihnachten zusammenzubringen. Innerhalb weniger Tage generierte der unter dem Hashtag #heimkommen platzierte Clip mehr als 30 Millionen Abrufe und wurde so zum weltweit erfolgreichsten Weihnachtswerbespot 2015.

Wie stark und nachhaltig dieses Viral die deutsche Werbebranche beeinflusst hat, merken wir nun – ein Jahr später – erneut im Discounter-Weihnachtsgeschäft, das sich nahezu geschlossen der Methode des Storytelling verschrieben hat. Der sog. „Branded Video Content“ sorgt im Weihnachtsgeschäft für eine kreative Hochphase, die Jean-Remy von Matt, Mitbegründer der Agentur Jung von Matt, jüngst gar als „deutschen Super Bowl“ bezeichnete.

Aber warum finden diese Werbungen derart großen Anklang? Was macht die „Storytelling-Methode“ so besonders im Vergleich zu altbewährten Werbebotschaften? Am Beispiel der diesjährigen Discounter-Werbung werden wir diesen Fragen nun auf den Grund gehen.

Nicht durch Fakten, sondern durch Geschichten lernen wir

Es ist keine wirklich neue Botschaft: Weihnachten – das Fest der Liebe – ist vor allem ein Fest für den Handel. Der aktuell prognostizierte Einzelhandelsumsatz für das deutsche Weihnachtsgeschäft beläuft sich auf über 90 Mrd. Euro. Zu keinem anderen Zeitpunkt ist unsere Kaufkraft so hoch, wie in den Wochen vor Heiligabend. Ein guter Grund also, um kräftig für seine Produkte zu werben. Aber wie herausstechen aus der Fülle von Werbebotschaften?

Bekanntlich setzen sich in unserem Gehirn diejenigen Erinnerungen fest, mit denen wir eine emotionale Bindung konnotieren. Nicht Fakten, sondern erzählte Geschichten sind es, die in uns die verschiedensten emotionalen Regungen wecken und Spuren hinterlassen. So hat – übertragen auf Discounter – die bewegende Geschichte vom einsamen EDEKA Opa deutlich mehr Wirkung, als eine Anpreisung der aktuellen Angebote aus der Fleischwarentheke.

Auch in diesem Jahr zeichnet Jung von Matt wieder verantwortlich für den Weihnachtsclip des Lebensmitteleinzelhändlers. Unter dem Hashtag #zeitschenken bedient sich EDEKA abermals des beliebten und bewährten Topos „Zeit“.

Wer möchte diese nicht zu Weihnachten? Zeit haben, Zeit nehmen, Zeit schenken. Die Motive sind vielfältig und die Wege zur „Zeit“ abwechslungsreich.

Emotionen stehen beim Storytelling an erster Stelle

EDEKA beispielsweise erzählt uns in diesem Jahr die Geschichte eines gestressten Ehepaars, das im anstrengenden „Vorweihnachts-Erledigungszwang“ vergisst, seinen Kindern das zu schenken, was Weihnachten letztlich ausmacht: Zeit! Das ist zwar nicht ganz so emotional wie die Geschichte vom einsamen Opa, holt den Zuschauer aber trotzdem ab.

Unterlegt von Tom Rosenthals „Go Solo“-Song, der bereits Til Schweigers Kino-Hit „Honig im Kopf“ emotionalisierte, macht PENNY derweil Weihnachtswunder wahr und bedient sich dabei ebenfalls dem Thema „Zeit“. So wird unter anderem die Geschichte des Ehepaars Hellmann erzählt, dessen Kinder mit ihren Familien jeweils in den USA und Finnland leben, wodurch die Großeltern ihre insgesamt sechs Enkelkinder nur selten sehen. PENNY überrascht die beiden zu Weihnachten mit einem großen Wiedersehen, viel Freude und auch Tränen. Zeit für die Familie muss eben sein.

Dass ALDI überhaupt auf der Bühne des Content-Marketings auftritt, ist schon eine Überraschung. Der Billig-Gigant, der jahrzehntelang komplett auf Fernsehwerbung verzichtete, ist seit Herbst 2016 nun auch auf den Bildschirmen präsent und darf im Weihnachtsgeschäft selbstverständlich nicht fehlen. Unter dem Slogan „Frohe Einfachten“ produzierte Ogilvy & Mather eine Kampagne, die altbekannte Weihnachtsmotive behandelt. Stress, Streit, Wut! Die Stadt ist voller Negativität! Weihnachten kann nur durch ein kleines Mädchen im roten Rentier-Strickpulli gerettet werden. Ihre Ansage ist schließlich auch die „einfache“ Botschaft: „Jetzt beruhigt euch doch mal wieder! Es ist doch schließlich Weihnachten!“

Zwei weitere Discount-Giganten widmen sich derweil einer extrem wichtigen Zielgruppe: Frauen! Während REWE mit dem Slogan „Weihnachten wird ein Fest“ auf humoristische Weise die vorweihnachtliche Angst vor der immerzu nölenden Schwiegermutter beschreibt, geht LIDL derweil unter dem Hashtag #santaclara einen ganz anderen Weg und startet mit seinem Weihnachtsvideo eine Offensive in 16 verschiedenen Märkten. Mit im Gepäck hat der Discounter dabei eine Kampfansage an den Weihnachtsmann und einen Song der Hamburger Sängerin Emily Roberts, der zugleich zum Weihnachtshit aufgebaut werden soll.

Wenn sich ein Weihnachts-Spot in diesem Jahr besonders vom Rest der Masse abhebt, dann ist es sicherlich der aufwendig produzierte #santaclara Clip, der die Genderfrage stellt und einem kitschigen „Fame-Style-Lagerfeld-Santa Claus“ eine energiegeladene und selbstbewusste „Lady Gaga-Santa Clara“ als Antagonistin gegenüberstellt. Dass am Ende des Spots beide ein gemeinsames Weihnachtsfest feiern ist zugleich die Botschaft des Discounters: Weihnachten ist für alle da, und LIDL auch.

Diese Werbung muss nicht jedermanns Geschmack sein. Trotz allem erzählt sie unserer Meinung nach die beste Geschichte und beweist abermals: Emotionen bleiben haften!

Heldengeschichten im Weihnachtsgeschäft

Was schließlich alle präsentierten Geschichten gemein haben, ist die Tatsache, dass sie von Helden und Heldinnen erzählen. Dies ist schließlich auch das Rezept zu einer guten Geschichte: Helden, mit denen wir uns identifizieren, in denen wir uns selbst wieder erkennen und mit denen wir schließlich mitfühlen.

Auffällig ist dabei, dass in jeder Geschichte nicht das Unternehmen zum Helden wird, sondern immer seinen Kunden in den Mittelpunkt stellt, während es selbst als Mentor dem Helden zur Seite steht. Dies ist eine bekannte Methode, die wir bereits aus zahlreichen großen Geschichten kennen. Frodo hat Gandalf an seiner Seite, Harry Potter Professor Dumbledore und Luke Skywalker’s Mentor ist Obi-Wan Kenobi. Jeder mag den Mentor, und dies macht Storytelling schlussendlich zum Erfolgsfaktor im Weihnachtsgeschäft.

Sie haben an Weihnachten keine Zeit für Ihre Kinder? Kein Problem: EDEKA schenkt sie Ihnen!
Sie vermissen Ihre Liebsten zum Fest? Kein Problem: Penny macht Weihnachtswunder wahr!
Sie wollen Ihre Schwiegermutter beeindrucken? Kein Problem: Mit den Produkten von REWE wird Weihnachten ein Fest!

 

Selten hat sich deutsche Werbung so viel narrativer Elemente bedient, selten war sie so kreativ! Deshalb wird Storytelling auch im Jahr 2017 seinen Höhenflug fortsetzen können. Nicht nur in der Werbebranche, sondern auch in Politik, Kultur und Unternehmenskommunikation.

Sie sind interessiert an Storytelling? Wir auch! Freuen Sie sich auf ein spannendes Jahr 2017, in dem Ihnen das Institut Michael Ehlers fantastische Geschichten präsentieren und hilfreiche Methoden an die Hand geben wird, wie auch Sie mit Storytelling nachhaltigen Erfolg einfahren können. Bis dahin wünschen wir jedoch zunächst ein frohes Weihnachtsfest!

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